ESG & Nachhaltigkeit

GRESB 101: Wer macht mit, was wird gemessen und wie sind die Ergebnisse zu lesen

15.05.2024
Isabel Gehrer

Mit über 2’000 partizipierenden Immobilienportfolios weltweit ist der Global Real Estate Sustainability Benchmark (GRESB) zum Massstab für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft geworden. Friedel Bachmann, Experte für nachhaltige Portfolios, erläutert die Bedeutung von GRESB-Ergebnissen und ihre Branchenauswirkungen.

Die Immobilienwirtschaft befindet sich im Wandel. Kaum eine Institution zeigt das so deutlich wie der Global Real Estate Sustainability Benchmark (GRESB). Seit seiner Einführung vor über 10 Jahren hat sich die Anzahl der partizipierenden Unternehmen aus der Schweiz von ursprünglich sechs auf 67 und in Deutschland von 21 auf 115 erhöht! Weltweit wurden letztes Jahr über 2’000 Immobilienportfolios im Rahmen des Nachhaltigkeits-Benchmarks bewertet.

Höchste Zeit, das Gefäss genauer unter die Lupe zu nehmen. Dr. Friedel Bachmann, Head of Service Unit Sustainable Portfolios, und sein Team begleiten diverse Grossunternehmen aus der DACH-Region bei der Dateneingabe und Interpretation der GRESB-Resultate. Im Gespräch ordnet er ein, was unter einem guten GRESB-Ergebnis zu verstehen ist, wie es sich zusammensetzt und welche Herausforderungen sich bei der Eingabe ergeben können.

Friedel, GRESB erfreut sich offenkundig grosser Beliebtheit. Warum eigentlich?
Immer mehr institutionelle Anleger:innen setzen auf Nachhaltigkeit und langfristige Werte. Im Zuge der steigenden Regulierungen und gesellschaftlichen Ansprüche wird auch der Shareholder Value zunehmend über einen generationenübergreifenden Zeithorizont betrachtet. GRESB-Scores und die Daten, auf denen sie beruhen, helfen Immobilieneigentümerinnen und Investoren, die relative ESG-Leistung und das Risiko eines Vermögenswertes innerhalb eines Fonds oder Unternehmens zu verstehen und sie mit dem Markt zu vergleichen.

Das Momentum von GRESB ist sehr hoch, der Benchmark hat mittlerweile beinahe «die kritische Masse» erreicht. Viele grossen Portfoliobesitzer:innen beteiligen sich aktiv. Das setzt den Rest des Markts natürlich unter Druck, ebenfalls zu partizipieren, um die geforderte Transparenz und Vergleichbarkeit zu bieten.

Welche Immobilienportfolios eignen sich für eine GRESB-Bewertung?
Die meisten Teilnehmenden konzentrieren sich bei der Eingabe auf das Bestandsportfolio bzw. sogenannte Standing Investments («Performance»), da die Netto-Null-Ziele drängen und sich die Regulierungen derzeit insbesondere auf die Verbrauchsemissionen in der Betriebsphase konzentrieren. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Entwicklungsportfolios («Development») bewerten zu lassen. Da werden andere Daten gefordert, beispielsweise zum Umgang mit den ganzen Erstellungsemissionen resp. der grauen Energie.

GRESB bewertet Portfolios nach verschiedenen Schwerpunkten und Objektarten. Besonders häufig werden Retailliegenschaften, Büro- und Wohngebäude eingegeben. Es gibt mittlerweile aber auch Sonderklassen mit anderen Nutzungstypen wie Logistikimmobilien, Hotels oder Pflegheime und gesundheitliche Einrichtungen.

Dr. Friedel Bachmann

Head of Service Unit Sustainable Portfolios

GRESB ist ein iterativer Prozess mit dem Ziel, sich über die Jahre hinweg schrittweise in den einzelnen Handlungsfeldern zu verbessern.

Gibt es Belege dafür, dass sich die Teilnahme am GRESB-Reporting positiv auf die Performance oder Rendite eines Immobilienfonds auswirkt?
Eine im 2022 veröffentlichte wissenschaftliche Studie verschiedener Universitäten aus Grossbritannien, den USA und Hong Kong hat die Beziehung zwischen der finanziellen Performance der NCREIF Open Ended Diversified Core Equity (ODCE) Indexfonds und der ESG-Berichterstattung mit GRESB untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die GRESB-Meldung mit einem Anstieg der vierteljährlichen Gesamtrendite eines ODCE-Fonds um 0,35 Prozent verbunden ist.

Eine ähnliche Auswertung der Immobilienvehikel in der DACH-Region ist mir derzeit nicht bekannt. Ich bin aber überzeugt, dass eine verbesserte Nachhaltigkeitsperformance mittelfristig zur Wertsteigerung von Immobilien und Reduzierung von Risiken beitragen kann. Im Moment steht allerdings die Transparenz im Vordergrund. Es geht darum, die eigenen Bemühungen besser einschätzen zu können und sich mit den Mitbewerbenden zu vergleichen.

Klingt nach viel Aufwand ohne greifbare Resultate…
Dem würde ich so nicht zustimmen. Die Unternehmen, die wir bei der GRESB-Eingabe begleiten, arbeiten aktiv daran, ihre Scores mit jeder Partizipation zu verbessern. Die Ergebnisse werden im Detail studiert und -  wo sinnvoll - auch auf das einzelne Objekt heruntergebrochen. Anschliessend werden Massnahmen zur Förderung der einzelnen Nachhaltigkeitsaspekte definiert und umgesetzt. Insofern liefert GRESB definitiv handfeste Hinweise und trägt dazu bei, den Gebäudepark nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten. Das sieht man auch daran, dass sich die GRESB-Scores allein in Europa stark verbessert haben über die Jahre.

Bleiben wir beim Aufwand. Wie genau sieht so eine Begleitung aus oder anders gefragt: Wie funktioniert so eine Eingabe?
Unsere Unterstützung bei der GRESB-Eingabe teilt sich auf in einen datenversierten Teil, der grundsätzlich die Aufbereitung von Verbrauchsdaten umfasst, und einen qualitativen Teil, der zum Beispiel Aspekte wie das Reporting, Richtlinien oder die Strategie betrifft.

Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden ein umfassendes «Wohlfühl-Programm» an, das den gesamten Prozess begleitet. So ähnlich wie ein Treuhandbüro beim Ausfüllen der Steuererklärung. D.h. wir unterstützen bei der Beschaffung der notwendigen Daten und schliessen dabei vorhandene Lücken. Wir unterstützen bei der korrekten Interpretation der einzelnen Aspekte, Optimieren dabei die Eingabe soweit möglich und geben die erforderlichen Informationen zeitgerecht in das GRESB-System ein. Ausserdem ordnen wir die Ergebnisse ein und helfen dem Portfolio und Asset Management, daraus greifbare Handlungsdirektiven und Massnahmen abzuleiten. In vielen Fällen begleiten wir auch die Umsetzung der definierten Massnahmen.

Auf welche Herausforderungen stosst ihr dabei?
Besonders schwierig ist die Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Quellen. Die Datenflüsse werden zwar immer stärker automatisiert und vereinheitlicht, stammen aber aus verschiedenen Systemen, werden unterschiedlich aggregiert und müssen unter Zeitdruck zusammengeführt werden. Da bei GRESB nur Originaldaten akzeptiert werden, arbeiten wir oft mit einem Zeitverzug von mehreren Monaten, da beispielsweise die Nebenkostenabrechnungen oft noch ausstehen.

Da sind wir wieder bei unserem Lieblingsthema, der digitalen Transformation. In Theorie müsste so eine Nebenkostenabrechnung doch auf Knopfdruck abgerufen werden können?
In Praxis ist das leider noch nicht der Fall. Die Dauer bis zur Bereitstellung einer Nebenkostenabrechnung hängt oft von den Bewirtschaftungsunternehmen ab. Manchmal müssen wir die Daten daher direkt bei den Energiewerken abfragen, was aufwändiger ist und zusätzliche Kosten verursacht.

Idealerweise sollten die Systeme miteinander interagieren, voneinander lernen und über Schnittstellen verbunden sein. Doch dabei stellen sich viele Fragen zum Datenschutz, insbesondere bei sensiblen Mieterdaten. Die Nachvollziehbarkeit der Informationen ist von grosser Bedeutung für unsere Kundinnen und Kunden, da der komplette Datenfluss, die Datenquellen, die Aufbereitung und die Berechnung der Kennzahlen vermehrt auditiert werden, ähnlich wie es bei Finanzkennzahlen der Fall ist.

Es braucht demnach einiges an Vorlaufszeit. Wann beginnt der GRESB-Prozess und bis wann muss die Eingabe abgeschlossen sein?
Je nach Portfoliogrösse starten wir entweder schon im Januar oder spätestens im März für kleinere Portfolios. Die Eingabefrist für sämtliche Eingaben ist jeweils Ende Juni. Die vorläufigen Ergebnisse werden im September veröffentlicht, wobei eine Fehlerkorrektur noch möglich ist, und die finalen Ergebnisse stehen im Oktober fest.

Was wird bei GRESB gemessen?
GRESB bewertet Immobilienportfolios in zwei Kategorien: «Performance» (Bestandsportfolios) bzw. «Development» (Entwicklungsportfolios) und «Management». Dabei werden Aspekte aus allen drei Dimensionen E (Environment), S (Social) und G (Governance) beurteilt. Insgesamt können maximal 100 Punkte erreicht werden. Performance / Development zählen zu 70 Prozent an die Gesamtwertung. Der Management-Teil macht 30 Prozent aus und ist für Bestand und Entwicklung identisch.

  • Der Performance Score ermittelt die nachhaltige Leistung des Immobilienbestands gemessen. Hier müssen unter anderem Informationen zum Energie- und Wasserverbrauch, zu den Treibhausgasemissionen oder der Abfallmenge eingereicht werden. Auch Massnahmen, welche die Energie- oder Wassereffizienz fördern, werden erhoben.
  • Für Entwicklungsportfolios wird derweilen ein Development Score erhoben. Er misst die Berücksichtigung von ESG-Themen bei der Planung, dem Bau und der Instandhaltung von Gebäuden. Hier stehen die Immobilienstrategien, Baurichtlinien, Standortwahl und die graue Emission stärker im Vordergrund.
  • Der Management Score entspricht einer qualitativen Bewertung und misst typische Aspekte wie das Vorhandensein von Nachhaltigkeitsvorgaben und -strategien, Reporting oder Risiko-Management. Hinzu kommen Themen wie Leadership-Programme, Geschlechtervielfalt, Mitarbeiterzufriedenheit oder die Altersstruktur der Belegschaft. Wichtiger als die eigentlichen Inhalte ist hier, dass die Dokumente und Prozesse vorhanden sind und dass Handlungsoptionen aufgezeigt werden.

Welche Ergebnisse werden veröffentlicht?
Die Ergebnisse werden in Form eines Benchmark Reports veröffentlicht. Die individuellen Ergebnisse umfassen die Anzahl der erreichten Punkte pro Kategorie und die Anzahl der Sterne, die auf einem relativen Ranking basieren. Die Top 20 Prozent erhalten dabei fünf Sterne, die übrigen Teilnehmenden werden verhältnismässig auf die darunter liegenden Quintile heruntergerechnet.

Zusätzlich erhalten Teilnehmende das «Green Star Label», wenn sie mindestens 50 Punkte im quantitativen (Performance / Development) wie auch dem qualitativen Teil (Management) erreichen.

Wann gilt ein GRESB-Ranking als gutes Ergebnis?
Ein gutes GRESB-Ergebnis zeichnet sich durch eine hohe Punktzahl und eine gute Performance in den verschiedenen Bewertungskategorien aus und hängt sicherlich auch davon ab, wie oft man bereits am Benchmark teilgenommen hat. Der Initialaufwand ist meistens so gross, dass gewisse Anforderungen wie beispielsweise die Daten zum Mieterstrom erst in den darauffolgenden Jahren eingegeben werden können. Vorher fokussiert man sich schlicht auf dringlichere Angaben. GRESB ist also als iterativer Prozess zu verstehen, bei welchem man sich schrittweise über die Jahre hinweg in den einzelnen Handlungsfeldern zu verbessern versucht.

Grundsätzlich gilt: Je mehr Sterne die Immobilienvehikel erhalten, desto besser schneiden sie im Marktvergleich ab. Bei der initialen Eingabe ist ein Resultat von zwei bis drei Sternen als gut zu werten, wer schon länger dabei ist, dürfte vier Sterne anpeilen. Fünf Sterne erhalten nur die «Industry Leaders», d.h. die besten 20 Prozent. Erfahrungsgemäss ist es sehr schwierig, diese Grenze zu knacken.

Dann bleiben wir realistisch: Worauf müssen Bestandshalter:innen achten, wenn sie vier Sterne erreichen wollen?
Bei Bestandsportfolios sind eine hohe Abdeckung der Verbrauchsdaten, der Anteil an zertifizierter Fläche im Immobilienportfolio und ein breit ausgelegtes Tenant Engagement entscheidende Faktoren. Die damit verbundenen Massnahmen sind für Unternehmen oft kostspielig, komplex und aufwändig. Es ist darum deutlich schwieriger, im quantitativen Bereich zu glänzen. Aktuell ist eine hohe Datenabdeckung noch zentral für eine gute Bewertung. Zukünftig wird stattdessen die tatsächliche Performance, also die konkrete Energie- und CO2-Intensität im Reporting-Jahr wie auch im Jahresvergleich immer stärker in den Fokus rücken.

Tendenziell korrespondiert das GRESB-Rating mit einem strategisch ausgerichteten, strukturierten Datenmanagement. Wer sich hier langfristig verbessern will, ist gut beraten, in die digitale Infrastruktur und eine professionelle Datenstrategie zu investieren.

Zum Abschluss: Wie wird sich die Immobilienwirtschaft dank GRESB weiterentwickeln, was denkst du?
Der wechselseitige Einfluss von GRESB und der nachhaltigen Berichterstattung in der Privatwirtschaft dürfte auch in den nächsten Jahren zunehmen. Mit zunehmenden Vorgaben zu Netto-Null und zirkulären Modellen in der Bauwirtschaft gehe ich davon aus, dass künftig auch vermehrt die Entwicklungsportfolios evaluiert werden.

Wir sehen aber, dass die GRESB-Eingabe sehr aufwändig ist. Nicht alle wollen oder können sich das leisten. Daher entstehen regional immer wieder neue Gefässe und dezidierte Labels zur Bewertung der ESG-Performance von Immobilien. Hier gilt es, sorgfältig abzuwägen, welches Zertifikat und Rating zur Anlagestrategie und dem Immobilienportfolio passt.



Die pom+Consulting AG hat den nachhaltigen Wandel der Immobilienwirtschaft schon vor beinahe 15 Jahren angestossen – aus Überzeugung. Unsere Expertise reicht zurück bis ins Jahr 2011: Damals haben wir den ersten Nachhaltigkeits-Check für Portfoliohalter:innen entwickelt und gemeinsam mit der KBOB und der Interessengemeinschaft privater professioneller Bauherren (IPB) eine vielbeachtete Handlungsanleitung zum Thema «Nachhaltiges Immobilienmanagement» veröffentlicht. Heute betreuen wir zahlreiche Unternehmen in der ganzen Schweiz und Deutschland auf dem Weg in die Klimaneutralität.

pom+ ist offizieller GRESB-Partner. Weitere Informationen zur Portfolio-Eingabe erhalten Sie hier.

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