Die Bedeutung von Nachhaltigkeitslabels nimmt für Unternehmen, Immobilienportfolios und Gebäude stetig zu. Ein Ausdruck davon ist die Fülle an möglichen Zertifikaten, die verschiedene Kriterien messen und damit auch Unterschiedliches aussagen. Wir bringen Ordnung in den Label-Salat und zeigen auf, welche Überlegungen bei der Wahl des passenden Nachhaltigkeitszertifikats entscheidend sind.
Nachhaltigkeitslabels liegen im Trend. Kein Wunder, schliesslich bieten sie Immobilienbesitzerinnen und Investoren eine Vielzahl von Vorteilen und helfen dabei, ökologische und ökonomische Ziele zu erreichen. Sie schaffen Transparenz, machen Erfolge sichtbar und tragen nachweislich zur Wertsteigerung von Immobilien bei.
Jetzt zur Kehrseite der Medaille: Die schiere Menge an Labels, Programmen und Initiativen macht es für viele Parteien schwierig, den Überblick zu behalten. Welches Zertifikat eignet sich für welches Objekt? Welche Nachhaltigkeitsdaten sind relevant für die gesetzeskonforme Berichterstattung? Wie teuer ist welche Zertifizierung? Diesen Fragen begegnen wir im Beratungsalltag häufig. Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es häufig nicht. Die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Eigentümerinnen und Bestandshalter machen die Sache zusätzlich knifflig.
Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Ansätze, um Nachhaltigkeit zu bewerten und zu kommunizieren: Einerseits gibt es Nachhaltigkeitslabels bzw. -zertifikate und andererseits sogenannte Reporting-Standards.
Labels vs. Reportings
Nachhaltigkeitslabels sind Kennzeichnungen, die an Unternehmen, Immobilien oder Produkte vergeben werden, um zu bestätigen, dass bestimmte nachhaltige Kriterien und Standards erfüllt werden. Sie dienen als Gütesiegel und geben eine sofort erkennbare Bestätigung für die Nachhaltigkeitseigenschaften des jeweiligen Untersuchungsobjekts. Zu den bekannten Zertifikaten in der Immobilienwirtschaft gehören u.a. LEED, BREEAM, SGNI/DGNB und Minergie/ECO.
Reporting-Standards sind derweilen als Rahmenwerke und Leitlinien zu verstehen, die Unternehmen dabei helfen, ihre Nachhaltigkeitsleistungen und -praktiken systematisch und vergleichbar zu erfassen. Sie helfen insbesondere dabei, systematisch über nachhaltige Aktivitäten und deren Auswirkungen zu berichten, konzentrieren sich also auf die Offenlegung von Informationen und die Transparenz der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Häufig genutzte Standards in der DACH-Region sind der Global Real Estate Sustainability Benchmark (GRESB), die Real Estate Investment Data Association (REIDA), Global Reporting Initiative (GRI), Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD), Carbon Disclosure Project (CDP), Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Principles for Responsible Investment (PRI). Sie erfordern eine separate Betrachtung, weshalb wir uns in einem nächsten Artikel mit ihnen auseinandersetzen.
Kategorisierung der Bewertungssysteme
Bei der Wahl der passenden Bewertungsmöglichkeit empfiehlt sich in einem ersten Schritt eine Kategorisierung der gängigen Labels in vier Stufen: Unternehmen, Portfolio, Gebäude und Bauteile bzw. Produkte. Die Portfolio- und Gebäudeebene lassen sich entlang des Immobilienlebenszyklus weiter herunterbrechen. Es gibt Zertifikate für den Neubau, Sanierungen, den Betrieb und den Rückbau.
Lange Zeit lag der Zertifizierungsfokus auf dem Neubau. Zwischenzeitlich geht der Trend jedoch hin zu Nachhaltigkeitslabels im Betrieb. Je nach Grösse und Komplexität des einzelnen Bauwerks sind dabei andere Systeme vorzuziehen:
- Der «GEAK Plus»-Ausweis ist eine einfache Variante für die Zertifizierung einzelner Gebäude oder kleiner Portfolios. Die Kosten belaufen sich auf unter 10'000 Franken. In Deutschland wird auch häufig der GEG-Ausweis, KfW40 oder Plusenergiegebäude eingesetzt. Die Kosten dafür belaufen sich i.d.R. auf unter 5000 Euro.
- In der Schweiz eignet sich Minergie/Eco für mittelgrosse Portfolios und auch Areale. Das Label enthält mehr Normen und Kriterien und beachtet u.a. auch die graue Energie. Mit dem Umfang steigen auch die Kosten. Für eine Zertifizierung ist in der Regel mit bis zu 50'000 Franken/Euro zu rechnen
- Grossunternehmen, die oft börsenkotiert sind, fokussieren häufig auf ganzheitliche Nachhaltigkeitslabels wie SGNI in der Schweiz bzw. DGNB in Deutschland. Die Zertifizierungen sind sehr umfassend und belaufen sich normalerweise auf rund 170'000 Franken/Euro
Bei der Nachhaltigkeitszertifizierung von Immobilien im Bestand steht der Betrieb im Zentrum. Hier stellt sich meistens die Frage, wie man die Nachhaltigkeit in Sachen Energieverbrauch, Wellbeing und Nebenkosten bis zur nächsten Sanierung laufend verbessern kann. Meistens konzentrieren sich Bestandshalter:innen auf umfassende Labels wie SGNI GIB, LEED Operations & Management oder BREAM in Use. Diese müssen alle drei Jahre erneuert werden und kosten jeweils zwischen 10'000 bis 30'000 Franken/Euro.
Relevante Faktoren bei der Zertifikatswahl
Abgesehen von der Grösse und Zusammensetzung des Immobilienportfolios spielen noch weitere Aspekte eine wichtige Rolle bei der Wahl der passenden Nachhaltigkeitszertifizierung. Dazu gehören insbesondere die Lage, Nutzung und Mietergruppen bei Gebäuden im Betrieb und zusätzlich die Kosten im Neubau.
Weitere wesentliche Kriterien sind zudem der Zeitpunkt für eine mögliche Erstzertifizierung, die Erneuerungszyklen der Zertifikate und die Anzahl der untersuchten Aspekte ins Gewicht. So werden z.B. bei einem Sanierungszertifikat von DGNB 37 Kriterien und 479 Parameter bewertet, beim Label für Bestandsgebäude jedoch nur 9 Kriterien und 175 Parameter. Solche Parameter können zum Beispiel die Gebäudeperformance auf Basis baulicher und anlagentechnischer Merkmale berücksichtigen oder die Ökobilanz, CO2-Ausstösse, Biodiversität usw.
Entweder wählt man zur Bestimmung der passenden Zertifizierung einen Top-down-Ansatz oder verfährt nach Bottom-up:
- Town-down bedeutet, dass die Immobilienstrategie ausschlaggebend ist. Sie sieht beispielsweise vor, gekaufte Immobilien nachhaltig zu optimieren und anschliessend gewinnbringend zu verkaufen oder die Immobilien zu halten.
- Dem gegenüber wird nach dem Bottom-up-Prinzip die einzelne Liegenschaft betrachtet und überlegt, was unter Einbezug aller relevanten Parameter auf Objektebene sinnvoll ist.
Bei vielen Unternehmen entwickelt sich die Frage nach dem passenden Bewertungssystem zu einem Tauziehen zwischen den Abteilungen auf der Portfolio- und Gebäudeebene. Eine vielfältige Label-Landschaft ist dabei jedoch kein Problem, solange eine klare Strategie vorhanden ist, wie die Informationen und Daten aus den Zertifizierungen sinnvoll weiterverwendet werden können.
Nachhaltigkeitslabels als Teil des Risikomanagements
Die Bewertung und Dokumentation von Nachhaltigkeitsbemühungen sind in der Immobilienwirtschaft längst zu einem wesentlichen Bestandteil des Risikomanagements geworden. Nachhaltigkeitslabels spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie stellen sicher, dass im Bau und Betrieb nach Normen und standardisierten Kriterienkatalogen gearbeitet wird, nehmen Entwicklungen vorweg und stellen die Zukunftsfähigkeit von Immobilien sicher.
Dies gewährleistet nicht nur eine umfassende 360-Grad-Perspektive, sondern liefert auch die notwendigen Daten, Prozesse für die Messung und Überwachung der Nachhaltigkeits-Performance. Diese strukturierte Herangehensweise über die Lebensphasen von Immobilien scheint uns daher der grösste Vorteil einer Zertifizierung.
Im zweiten Teil unserer Blog-Serie ziehen wir einen Quervergleich in Sachen Berichtspflicht, Green Labels und Nachhaltigkeitszertifikate zwischen der Schweiz und Deutschland.
Dr. Johannes Gantner ist Partner und Mitglied der Geschäftsleitung bei pom+. Er verantwortet den Leistungsbereich Sustainability & Performance in der Schweiz und ist spezialisiert auf die nachhaltige Zertifizierung von Immobilien.
Rebekka Ruppel ist CEO von pom+Deutschland und unterstützt Immobilieneigentümerinnen und Bestandshalter bei der Optimierung ihrer ESG-Performance. Als Vorsitzende des ZIA-Ausschuss «Transparenz & Benchmarking» setzt sie sich für eine wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung von EU-Regularien ein und legt dabei besonderen Wert auf ausgewogene Verhältnismässigkeit.